Advent

Geschrieben von Falk Neefken am .

geschrieben von Falk Neefken 15.11.2012

ergänzt durch Wolfgang Stoffel 02.12.2012

letzte Bearbeitung: 31.12.2017 durch Falk Neefken

 

Advent


Die Adventszeit im Kirchenjahr / im Jahreskreis
Die Kirche begeht die Adventszeit seit dem 6. Jahrhundert. Sie begann ursprünglich am 11. November und dauerte sechs Wochen (40 Tage), endete also am 6. Januar, dem Epiphaniastag (Heilige Drei Könige), dem Fest, an dem zunächst Christen die Menschwerdung und Erscheinung Gottes in Jesus aus Nazareth feierten. Vermutlich wurden wie vor Ostern in diesen Wochen erwachsene Täuflinge auf ihre Taufe am Epiphaniastag vorbereitet. Das lateinische Wort adventus bezeichnete in der Antike die Ankunft eines neuen Herrschers nach seiner Thronbesteigung, also seinen ersten offiziellen Besuch in einer Stadt oder einer Region seines Reichs. Ebenfalls adventus nannte man die Ankunft eines Gottes im Tempel.


Im Griechischen, der Sprache des Neuen Testaments, steht für adventus das Wort parusia. Seine Bedeutung ist zwar auch Ankunft, aber auch Wiederkunft und bezieht sich damit auf die Verheißungen des Wiederkommens Christi am Ende aller Tage. Im wohl bekanntesten Adventslied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit" wird zwar auf die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem Bezug genommen, besungen aber wird letztlich eine erwarte, also in der Zukunft liegende Ankunft: „Komm, o mein Heiland Jesu Christ, mein Herzenstür die offen ist".


Die Adventszeit ist damit – kirchlich gesehen – an sich keine Vorbereitungszeit auf das Weihnachtsfest als Fest der Erinnerung an die Geburt Jesu, sondern dazu gedacht, sich geistlich vorzubereiten auf das Wiederkommen des Auferstandenen. Im Apostolischen Glaubensbekenntnis heißt es über den in den Himmel aufgefahrenen Christus: „Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten".


Auch wenn heute rote Kerzen und rote Schleifen am Adventskranz als traditionell gelten, so ist doch - wie in der Passionszeit - Violett die eigentliche Kirchenjahresfarbe. Das Violett zeigt an, dass die Adventszeit ursprünglich als Fastenzeit begangen wurde. Hinweis darauf ist auch das heute noch verbreitete Martinsgansessen: St. Martini war Schlachttag, man durfte vor dem Fasten noch einmal richtig schlemmen.


Seit dem Konzil von Lerida / Katalonien 546 bezieht sich die Adventszeit auf die vier Wochen vor dem heutigen 1. Weihnachtstag (25. Dezember), aber erst 813 wurde für den deutschen Sprachraum durch eine Synode in Mainz der 25. Dezember zum Geburtsfest Christi festgelegt. Viel später, im 19. Jahrhundert, entwickelte sich die Adventszeit zur Vorbereitungszeit auf das, wenn auch christlich geprägte, bürgerliche Weihnachtsfest. „Ihr Sinn wird verkürzt, richtet man sie lediglich auf das historische Ereignis der Geburt Jesu aus" oder formt sie um in eine stimmungsvolle, kommerzbestimmte Vorweihnachtszeit. (Evangelisches Gottesdienstbuch).
Der Dissens zwischen dem, was einerseits die Gesellschaft, andererseits die Kirchen unter Advent (und Weihnachten) verstehen, währt nun schon Jahrhunderte. Beide haben sich mit den unterschiedlichen Auffassungen eingerichtet.


Unter Beachtung des Rhythmus' des Kalenders als auch des Kirchenjahres drängen die Kirchen seit Jahren darauf, die Adventszeit nicht nach vorn, also in den November oder gar schon in den September auszuweiten. Im evangelischen Bereich entstanden deshalb Aktionen wie „Advent ist im Dezember" www.Advent-ist-im-Dezember.de und „Andere Zeiten". Vor allem letztere erfreut sich einer steigenden Beliebtheit, was sich vor allem an der jährlich steigenden Auflage des Kalenders „Der andere Advent" zeigt (im 2012 liegt die Auflage bei 470.000 Exemplaren), der durch Bilder und kleine Texte dazu einlädt, die Adventszeit neu zu entdecken. (www.anderezeiten.de) – Die Evangelischen Kirchengemeinden Lank und Osterath beteiligen sich seit Jahren an dieser Aktion, ebenso die Pfarrgemeinde Hildegundis von Meer.


Die Adventszeit im rheinischen Brauchtum
Im 19. Jahrhundert entstand im protestantischen Deutschland der Brauch des Adventskalenders. Man hielt jeden Tag eine kleine Andacht, sang und betete und las in der Bibel, bereitete sich so auf das Weihnachtsfest vor. Einerseits wurde Kindern durch den Adventskalender die Zeit bis Weihnachten verdeutlicht, sie sollten gleichsam Geduld lernen, andererseits wies er durch kleinere Geschenke schon auf die Geschenke zu Weihnachten hin. Die heutige Form gedruckter Adventskalender gibt es erst seit etwa 100 Jahren.Den ersten Kalender dieser Art entwickelte Gerhard Lang 1903. Er hieß "Im Lande des Christklinds". Für jeden Dezembertag ließ sich bis Weihnachten ein Türchen öffnen, hinter dem sich christliche, meist biblische Verse befanden; zudem gab es kleine Bildchen zum Ausschneiden und aufkleben. Kalendertürchen mit dahinter verborgenen Bildern mit weltlichen und christlichen Motiben setzten sich schnell durch und zeigen bis heute von der Verschränkung des bürgerlichen mit dem christlichen Weihnachtsverständnis. Die ersten Kalender mit Schokolade erschienen in den 20er Jahren des letzten Jahrhhunderts.

 

Seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts organisieren, oft konfessionsübergreifend, Kirchengemeinden u.a. lebendige Adventskalender. In Meerbusch beteiligen sich die Evangelischen Kirchengemeinden Lank und die katholische Pfargemeinde St. Mauritius und Heilig Geist daran. Einzelpersonen, Familien, Einrichtungen gestalten je ein zur Straße gelegenes Fenster in ihren Häusern. Gegen 18.00 Uhr wird täglich ein anderes Fenster erleuchtet, oft verbunden mit einer kleinen Andacht auf der Straße. Die Liste der Teilnehmenden liegt in Kindergärten, Schulen und Gemeindezentren aus und lädt ein, den lebendigen Adventskalender abzuschreiten. In 2015 veranstalten die Evangelischen Kirchengemeinde Lank und die Katholische Gemeinde Hildegundis von Meer den "lebendigen Adventskalender" in Lank und Strümp gemeinsam, in Büderich zeichnet die Katholische Pfarrgemeinde Mauritius und Heilig Geist verantwortlich.


Verloren gegangen ist der Brauch des Adventsbaums. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts stellte sie der evangelische Pfarrer Theodor Fliedner in den Diakonie-Einrichtungen in Duisburg und Kaiserswerth auf. An einem Nadelbaum wurde täglich ein Zettel mit einer prophetischen Verheißung angebracht und eine Kerze entzündet. Von Tag zu Tag leuchtete der Baum heller, um schließlich am Weihnachtstag im vollen Glanz zu erstrahlen.

Ebenfalls im 19. Jahrhundert kam der Adventskranz auf. Auch hier war es eine evangelische diakonische Einrichtung, die den Brauch kreierte und ihren Siegeslauf auch ins Rheinland bis heute einleitete. 1860 kam Pfarrer Johann Heinrich Wichern im Rauen Haus in Hamburg die Idee, an jedem Tag im Advent eine Kerze anzuzünden, die auf einem Tannenkranz steckte, der von einem Kronleuchter gehalten wurde. Aus den 24 Kerzen entwickelte sich später der vierarmige Leuchter oder eben nur ein Kranz aus Tanne mit vier Kerzen, für jeden Adventssonntag eine.
Der Gebrauch von Tannenzweigen und Kerzen dürfte auf alte heidnische Bräuche zurückgehen. Überall in Europa war es Sitte, in der Adventszeit grüne Zweige in die Zimmer zu hängen und sie damit auszuschmücken. Immergrüne Zweige und Licht wurden zur Abwehr böser Geister und zur Vertreibung der Angst vor der Dunkelheit eingesetzt. Ein alter Brauch wurde so „christianisiert".


Voll im Trend liegen seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts Advents- und Weihnachtsbasare sowie Weihnachtsmärkte. Schon im 13. Jahrhundert verkauften Händler in der Vorweihnachtszeit auf Marktplätzen Gebäck und Spielzeug. Im 18. Jahrhundert wurden Weihnachtsmärkte zunächst in protestantischen, dann auch in katholischen Gegenden populär (1434 Dresdner Striezelmarkt, 1697 Nürnberger Christkindlmarkt, 1735 Berliner Weihnachtsmarkt). Im Rheinland fand der erste Weihnachtsmarkt 1820 statt.


In Meerbusch veranstalten mehrere Kirchengemeinden und Einrichtungen Adventsbasare, der Weihnachtsmarkt „Winterwelt" in Büderich lockt mit seiner Atmosphäre von Glühweinduft, weihnachtlichem Schmuck, Verkaufsbuden, Kinderkarussell und Eislaufmöglichkeit Alt und Jung an. In Büdrich, Lank und Osterath finden am gleichen Tag Nikolausmärkte statt .


Für viele Menschen ist die Adventszeit durch Hektik und Stress gekennzeichnet. Dabei wäre das größte Geschenk, das man sich in dieser Zeit gönnen könnte, Zeit für Ruhe und Muße. Evangelische wie katholische Gemeinden bieten deshalb mit (abendlichen) Adventsandachten solche Zeit zum Innehalten und zur Besinnung an - so auch die katholische Meerbuscher Pfarrei Hildegundis von Meer.


Eine Besonderheit der katholischen Kirche stellen die Rorate-Messen dar; das sind besonders gestaltete Messfeiern an den Werktagen im Advent. Ihren Namen verdanken sie dem Beginn eines lateinischen Wechselgesanges in der entsprechenden Liturgie dieser Messen: Rorate caeli desuper („Tauet, Himmel, von oben"). Dieser Rorate- Ruf drückt sehr sinnfällig die bereits genannte Hoffnung des Volkes Gottes aus, das die Wiederkunft des auferstandenen Christus erwartet.
In der Pfarrei Hildegundis von Meer finden mehrfach abendliche Roratemessen statt. In manchen Gemeinden wird diese in der Morgenfrühe vor der Dämmerung gefeiert - als Hinweis auf den kommenden Christus, das Licht der Welt. - Termine für die Andachten und Messen: www.pfarrei-hildegundis-meerbusch.de/

Was wäre die Adventszeit ohne Musik. Der Posaunenchor der Evangelischen Kirchengemeinde Lank spielt an allen Adventssamstagen um 18 Uhr auf dem Alten Schulhof; eine lange Tradition haben Advents- und Weihnachtskonzerte. Fast alle Kirchengemeinden laden zu gemeinsamen Singgottesdiensten oder zum Singen mit den Chören ein. Zu großen Konzerten, meist mit Chor, Solisten und Orchester, kommen auch viele Menschen, die sonst kirchlichen Veranstaltungen distanziert gegenüberstehen. – Zur Aufführung kommen in der Regel geistliche Kompositionen zur Advents- und Weihnachtszeit, letztere allerdings nicht mehr in katholischen Gemeinden, da dort seit einigen Jahren durch die (katholische) Deutsche Bischofskonferenz festgelegt ist, dass für das Weihnachtsfest komponierte Werke erst zu Weihnachten und nicht schon in der Adventszeit erklingen dürfen. Die evangelischen Gemeinden handhaben dies liberaler, auch weil nach den Nachweihnachtstagen das Interesse an Weihnachtskonzerten rapide absinkt. 


Hauptsächlich in den katholischen Kirchen werden in der Adventszeit Weihnachtskrippen aufgebaut, die „wachsen", d.h. je näher Weihachten rückt, desto intensiver werden sie „mit dem Personal der Weihnachtsgeschichte bestückt", bis schließlich an Heilig Abend, 24. Dezember, das Jesuskind in die Krippe gelegt wird. Solch eine Krippe entsteht z. B. in St. Nikolaus in Osterath.

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"wachsende" Krippe (2012) in St. Mauritius, Büderich mit lokalem Bezug (alter Kirchturm) und Aufnahme aktueller Gesellschaftsfragen

Da im Mittelalter nur wenige Menschen lesen konnten, vermittelte ihnen die Kirche biblische Geschichten durch Bilder und – in der Vor- und Weihnachtszeit – durch Weihnachts- und Krippenspiele, in denen auch die Herbergssuche von Maria und Josef eine wichtige Szene war. Daraus entwickelte sich im 16. Jahrhundert in den katholischen Gegenden Deutschlands der Brauch des Marientragens: In der Vorweihnachtszeit wurde ein Bildnis Mariens oder eine Marienstatue zu einem Haus getragen, von den Bewohnern begrüßt, aufgenommen, für eine Nacht beherbergt und am nächsten Tag in ein anderes Haus gebracht. Der Ritus sollte die Menschen dazu anhalten, der Heiligen Familie im doppelten Wortsinn Raum zu geben und war damit der Versuch, der damals schon um sich greifenden Verweltlichung des Weihnachtsfestes entgegenzuwirken. Dieser auch im Rheinland verbreitete Brauch ist weitgehend verlorengegangen, lebt aber seit einiger Zeit vor allem im (vor-)alpenländischen Raum wieder auf.


Literatur
Evangelisches Gottesdienstbuch, Berlin 2000
Alois Döring, Rheinische Bräuche durch das Jahr, Köln 2007
D. William Nagel, Geschichte des christlichen Gottesdienstes, Berlin 1970
Marianne Mehling, Die schönsten Weihnachtsbräuche, München 1980
Ottmar Schulz, Von Abba bis Zion – Kirche für Neugierige, Frankfurt am Main 1999

Tina Peschel, Adventskalender, Husum 2008