Kirchliche Wurzeln des Karnevals

Geschrieben von Falk Neefken am .

 
Kirchliche Wurzeln des Karnevals
 geschrieben von Falk Neefken
letzte Bearbeitung 31.01.2018
 
Karneval ist heute zwar weitgehend säkularer Winterbrauch, steht aber in enger Beziehung zum Kirchenjahr, das in bestimmte Fest- und festfreie Zeiten eingeteilt ist. In diesem kirchlichen Jahreskreis hat das Osterfest eine entscheidende Rolle, denn nach dem beweglichen Ostertermin richten sich die davor liegende Fastenzeit (in evangelischern Bereich Passionszeit, in der katholischen Kirche offiziell Österliche Bußzeit  genannt) und die wieder davor liegende Karnevalszeit.

Zu allen Sonntagen im Kirchenjahr wurden, als noch niemand an Karneval dachte, bestimmte Lesungen festgelegt. Die Evangeliums-Lesung für den Sonntag vor Rosenmontag ist dem Lukasevangelium (c 18, v. 32 ff) entnommen. Dort heißt es: „Siehe, wir gehen hinauf nach Jerusalem". Die Jünger werden eingeladen, mit Jesus nach Jerusalem zu gehen, den Weg des Heils – und eben nicht den der Welt – zu beschreiten. Der Weg der Welt, so die damalige Vorstellung, das ist die Lust- und Spaßgesellschaft, in der jeder sich nur nach seinen Wünschen und Zielen richtet und die Nächsten außer acht lässt - Sozialkritik klingt an.

Die Epistel-Lesung unterstreicht diese Intention. Im berühmten Hohelied der (Nächsten-) Liebe im 13. Kapitel des 1. Korintherbriefs schreibt der Apostel Paulus: „Wenn ich mit Menschen- und Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle." Schellenträger, so könnte assoziiert werden, sind also die, die sich nicht zur caritas, zur Nächstenliebe bekennen.

Die Absicht ist klar: Es geht um die Lebensalternative zwischen einer Diesseitigkeits- und einer Jenseitigkeits-orientierung. Zwischen der Möglichkeit, sich einer Unheils- oder einer Heilsgemeinschaft anzuschließen. Der viel später entstandene und kirchlich geförderte Karneval mit seinen Ausschweifungen diente dann dazu, aufzuzeigen, dass alle irdische Herrlichkeit und Freude kurz und vergänglich sind.

Hierin dürfte auch der Brauch begründet sein, Karneval mit der Beerdigung oder dem Verbrennen der Symbolfigur des Narrenreiches, in Düsseldorf des Hoppeditz, zu beenden. Wer so die sündige Karnevalszeit hinter sich lässt und bereitwillig in die gottgefällige Fastenzeit eintritt, die doch zum Osterfest führt, dem steht nicht der Tod, sondern die Auferstehung bevor. Nicht im Narren-, sondern im Kirchenschiff kommt das Leben ans Ziel.

Die Reformation stand solch einer pädagogischen Instrumentalisierung des Karnevals ablehnend gegenüber. Luther bezweifelte, dass man Zügellosigkeit vorübergehend zulassen könnte, ohne dass Menschen ihr auf Dauer verfallen würden. Die Skepsis des Reformators setzt sich bis heute in einer gewissen Distanz von manchen Evangelischen gegenüber dem „katholischen Mummenschanz", wie es noch in den 60er Jahren des vorigen Jahrhundetrts hieß, fort.

Allen drei  großen monotheistischen Religionen ist  eine skeptische Haltung gegenüber dem Humor eigen.  Im Koran befinden sich keine humoristischen Passagen, es sei denn Hohn über Nicht-Muslime. Von Buddha heißt es, dass, als er ein lachendes Mädchen sah, fragte, wie sie nur lachen könnte angesichts von Krankheit und Tod.  Ähnlich der Kirchenvater Chrysostomos, der meinte, ein vernünftiger Mensch könnte im Wissen um das Leiden und Sterben Jesu im hiesigen Leben nicht lachen.

Aber: „Um Gottes und um unserer Seligkeit willen brauchen wir Protestanten dem Karneval nicht entsagen" meint Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Es entspreche nicht der Bibel, den Menschen Feiern und Genießen zu vermiesen.

 In der katholischen Kirche finden o. a. Texte seit der Liturgiereform des 2. Vaticanums keine Anwendung mehr, im evangelischen Gottesdienst am Sonntag vor Rosenmontag werden sie auch heute noch gelesen. Die darin einmal assoziierte Abwertung von "Schellenträgern"  wird heute - Ausnahmen bestätigen die Regel - nicht mehr aufrecht erhalten. Die dahinter stehende christliche Grundfrage bleibt dennoch: Wonach richten Menschen ihr Leben aus?

Die Karnevalszeit endet traditionsgemäß am Aschermittwoch. Ursprünglich ein Bußtag zu Beginn  der Fastenzeit, wird er heute oft genug als Verlängerung des Vergnügens gesehen. Parteien laden zum politischen Aschermittwoch, an denen der politische Gegener mit  kabarettistischen Einlagen attackiert wird, und aus der Fastenspeise Fisch wird vielerorts ein reichhaltiges Fischessen. "Statt Stockfisch reicht man opulente Mahlzeiten für den verfeinerten Gaumen, und der ursprüngliche Fastenbeginn gerät zu einem geselligen Schmausen." (Döring S. 126)

Auch das traditionelle Aschenkreuz, als Zeichen der Buße in der Aschermittwochsmesse empfangen, befindet sich auf dem Rückzug.  Karneval wird so  immer mehr zu einem "weltlich Ding".

Dass man es nicht immer ganz genau nahm mit dem kirchlichen gebot des Fasten, davon zeugen u.a. Speisen und Getränke,  in denen man Fleisch und Alkohol "versteckte", z.B. "Pharisäer" (Kaffee mir Weinbrand) oder Maultaschen (mit Fleisch gefüllte Teigtaschen).

Bruegel Kampf zwischen Karneval und Fasten DetailÜber die alljährliche Diskrepanz zwischen spirituellen Zielen und "weltlichen Freuden" zur Fasten- resp. Passionszeit gibt Pieter Breugel in seinem Bild "Der Kampf zwischen Karneval und Fasten" von 1559 Auskunft, das ironisch die divergierenden Vorstellungen in den Niederlanden darstellt. Das Bild ist primär ein Zeugnis ethnographischer Bräuche im 16. Jahrhundert, wird aber auch als eine Darstellungen der konkurrierenden Bräuche von Protestanten und Katholiken gedeutet, so Bertram Müller in der Rheinischen Post vom 16.02.2015 und viele andere.

 

 

 

Pieter Breugel. Der Kampf zwischen Karneval und Fasten / Detail

 

In Meerbusch ist der Karneval als Winterbrauchtum gut verankert. In Büderich finden zur Karnevalszeit Mundartmessen statt, an denen Vertreter der Karnevalsgesellschaften "Blau-Weiss" und "Heinzelmännchen" teilnehmen. Die St. Sebastianus-Schützenbruderschaft veranstaltet ein Tonnenrennen am Tulpensonntag.

In Lank veranstalten die beiden Grundschulen mit vielfacher Unterstützung durch die Elternschaft am Karnevalssamstag einen Kinderumzug, der sich großer Akzeptanz auch von Erwachsenen erfreut.

Nierst ist gleichsam ein Zentrum des Meerbuscher Karnevals, das ganze "Dorf" ist jeck über die närrischen Tage. Die Karnevalsgesellschaften "KG Nierst" und "Kött on Kleen" dominieren an diessen Tagen das Dorfleben, dessen Höhepunkte Kostümbälle und ein Kinderumzug sind, der Zuschauer aus allen Stadtteilen anlockt.

 

Literatur:

Dietz-Rüdiger Moser, Fastnacht – Fasching – Karneva
Alois Döring, Rheinische Bräuche durch das Jahr
Nikolaus Schneider, Wie heißt das elfte Gebot? Vielleicht: Du sollst nicht Karneval feiern? in: Chrismon 2/2011
Admiel Kosman, Wenn Lachen lächerlich macht  in: Zeitzeichen 02/2013