Autobahnkapelle Geismühle

Geschrieben von Ludwig Petry am .

Geismühle A 57

Zu den jüngeren Autobahnkapellen  zählt die 1981 eingeweihte ökumenische Autobahnkapelle Geismühle an der A 57 neben der gleichnamigen Gaststätte und benachbarten Mühle zwischen der Abfahrt Krefeld-Oppum und dem Autobahnkreuz Meerbusch. Das Gelände, auf dem die Kapelle und das Denkmal Geismühle stehen, gehörte bis 1929 zu Ossum-Bösinghoven, heute ein  Stadtteil von Meerbusch. Im Zusammenhang mit der ersten großen kommunalen Neugliederung trat die Gemeinde das Gebiet rund um die Geismühle per Vertrag an die Stadt Krefeld ab. Es blieb allerdings bis heute  „gefühlter Besitz“ der Ossumer und Bösinghovener Dorfbewohner der Stadt Meerbusch.  Seit 2008 steht die Kapelle unter Denkmalschutz  und wird kirchlich betreut von der evangelischen und der katholischen Kirche. Ansprechpartner ist der Evangelische Gemeindeverband Krefeld.
Gefährdet der Ausbau der Raststätte die Autobahnkapelle? Diese Frage wird ab 2011 unter Fachleuten und in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert.  Die Stadt Krefeld und der Evangelische Gemeindeverband Krefeld fordern eine neue Planung.
Die Kapelle ist in der Architektur und Ausstattung Ausdruck für die Verbundenheit mit der Natur und der Schöpfung. Sie lädt ein zur medidativen Einkehr und zum Stillehalten. Man hätte über dem Eingang auch schreiben können "pax intrantibus" (Friede den Eintretenden), wie es früher oft über Eingängen z.B. zu Klöstern oder auch Privathäusern zu lesen war. Geplant wurde die Kapelle von Professor  Hein Stappmann und nach dessen Tod fertiggestellt von seinem Partner und einstigen Schüler Ludwig Thorissen.  Als Baumaterialien wurden verwandt Feldbrandsteine, Holzschindeln und Glas, durch das von außen Licht in den Raum flutet und von innen der Blick in die Natur und auf ein kleines Gewässer freigegeben wird. Das schafft eine meditative Stimmung.

                 

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Eingang zur Kapelle                                        Bronzescheibe von Prof. Akkermann

 

Zentrales Kunstwerk ist eine große Bronzescheibe des Krefelder Bildhauers Professor Theodor Akkermann, von dem auch der Türgriff, die Inschrift und das Kreuz über der Glastür stammen. Die Bronzescheibe liest sich wie ein Bildprogramm der Genesis und  wird von Friedrich Lohmann, zitiert nach Peter Dohms (S. 148)), wie folgt beschrieben:
„Es zeigt rechts oben den Schöpfer mit ausgebreiteten Armen  die Urfluten bändigend, das Taubensymbol als Friedenszeichen daneben. Im unteren Viertel sind Hinweise auf das Paradiesgeschehen um Adam und Eva zu erkennen, Erinnerungen an den Sündenfall. Der Griff nach dem Verbotenen zeigt dem Menschen die Welt, die Leid und Schmerzen kennt. In die linke Hälfte weist Gottes Arm auf Alpha und Omega, auf Anfang und Ende allen Seins, darunter eine Sintflutszene mit Blitzen und Wasserströmen, weiter unten wieder eine Taube und weitere Vogelarten, die offenbar nach der Sintflut an Noah erinnern und Hoffnung für die Menschen verdeutlichen.“
(Anm.: Ob das Taubensymbol als Friedenszeichen oder als Zeichen für den Heiligen Geist zu verstehen ist, wäre noch zu klären)
Auf dem Türgriff ist der „Fisch“ zu sehen, das Symbol und Erkennungszeichen  der frühen Christen (noch vor dem Kreuz). „Fisch“ (griechisch ICHTHYS )steht für "Jesus Christus Gottes Sohn Erlöser".Türgriff mit Fisch

 

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Wie in vielen anderen Autobahnkapellen liegt auch in der Autobahnkapelle Geismühle ein  „Anliegenbuch“ aus (s. dazu in der Lit. „Lieber Gott, schenke Gladbach drei Punkte“ von Peter Dohms). Solche Anliegenbücher sind Quellen für die Alltagsgeschichte unserer Zeit und ihrer heterogenen und mobilen Gesellschaft. Wenn man von den Missbräuchen einmal absieht, die wohl nicht zu vermeiden sind, zeigen solche Anliegenbücher in „kirchlich geschützten“ Räumen entlang des Stroms der Verkehrshektik ganz offensichtlich ein Bedürfnis fürs Anhalten, für Besinnung, für „Stoßgebete“, für Dank und für Wünsche – und seien sie manchmal auch noch so trivial. Die "Anliegenbücher" oder "Gedankenbücher " aus der Autobahnkapelle Geismühle werden im Pressereferat des Kirchenkreises Krefeld-Viersen aufbewahrt (s. Literatur: B. Furchheim). Ein Vergleich der Eintragungen in die "Anliegenbücher" aus den Jahren 2012 und 2020 zeigt den nach wie vor hohen Anteil fremdsprachiger Eintragungen (insbesondere in polnischer Sprache). Ein Kirgise illustriert seine Grüße und guten Wünsche in englischer und russischer Sprache mit einer Zeichnung, die seine Heimat charakterisieren soll (s. Dohm/Hertel S. 53). 

 

Blick-in-die-NaturRömerbrief

 

 

Bevor der Besucher die Kapelle betritt, wird er durch ein Zitat aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer (11.36)angeregt. Im Innern trifft er auf eine Atmosphäre der kontemplativen Naturverbundenheit.                          

 

 

 Die Autobahnkapelle ist tagsüber geöffnet. Zusammen mit der benachbarten Geismühle sind beide Denkmäler auch Ziele von Besuchern am jährlichen „Tag der Autobahnkirchen“ (Anm.: Ob es dafür einen festen Tag gibt, ist noch zu ermitteln), am „Mühlentag“ (jeweils Pfingstmontag)und am „Tag des offenen Denkmals“ (jeweils am zweiten Sonntag im September).

 

Die Autobahnkapelle steht übrigens an einer Stelle mit einer - wenn auch kurzen - Tradition für "religiöse Einkehr unterwegs". 

s-w-Foto-von-Theo-Haefs-we  An der benachbarten Geismühle, die dem Rastplatz und auch der Kapelle den Namen gab, fanden in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts bis in die Nazizeit hinein (bis 1935 oder 1939?) Wallfahrtsandachten unter freiem Himmel statt. Den folgenden  Hinweis sowie das historische s/w-Foto verdanken wir Theo Haefs vom Lanker Heimatkreis (mündliche Auskunft 2019) "Die jährliche Lanker Kevelaer Wallfahrt machte Rast an der Geismühle mit einer kleinen Andacht, dann ging es weiter zum Krefeld-Oppumer Bahnhof, von dort weiter mit dem Zug nach Kevelaer. Am späten Nachmittag warteten die Kinder aus Bösinghoven schon am Mühlberg, denn die Mütter oder Tanten brachten Honigkuchen von ihrer Reise mit."

 


Literatur:

Bettina Furchheim, Behüten auf allen deinen Wegen. Zum Thema Segen - Spezialform Reisesegen, in: Gemeindebrief Sept. - Nov. 2020 der Ev. Kirche Lank, S. 9

Peter Dohms, Die ökumenische Autobahnkapelle an der Geismühle, in: Menschen. Leben. Geschichte. 250 Jahre St. Pankratius Schützenbruderschaft, hrsg. im Auftrag des Heimatkreises Lank e.V. von Peter Dohms,  Meerbusch 2007, S. 146 – 150

Ders. , „Lieber Fußballgott, schenke Gladbach drei Punkte“. Ein Anliegenbuch des Jahres 2012 aus der Autobahnkapelle an der Geismühle in Krefeld, in: Dä Bott. Lanker Heimatblätter, Jg. 40/2013, S. 30 – 35 

Wiltrud Dohms und Elke Hertel, Was ausländische Besucher Anlagenbüchern der Autobahnkapelle an der Geismühle in Krefeld in den Jahren 2012 und 2020 anvertrauten, in: Dä Bott. Lanker Heimatblätter, Jg. 48/2021, S. 50 - 58

 


Friedrich Lohmann, Am Weg….die Autobahnkapelle an der Geismühle, Gemeindebrief der Ev. Kirchengemeinde Lank, Juni – August 2004, S. 10 f.

 

Weitere Webseiten:

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